Borreliose – Nicht die Wurzel allen Übels!

Mit Beginn der Zeckensaison wird in den Medien wieder vermehrt auf die Gefahren der Borreliose hingewiesen und der Öffentlichkeit suggeriert, dass unspezifische Krankheitssymptome wie Kopf- und Gelenkschmerzen, Müdigkeit oder Ähnliches den dringenden Verdacht einer Borreliose begründen. Auch werden die Risiken eines Zeckenbisses häufig sehr stark übertrieben. Wir erleben immer häufiger, dass vorschnell alle möglichen Beschwerden einer Borreliose zugeschrieben werden und die tatsächlichen oder sehr viel wahrscheinlicheren Krankheitsursachen nicht mehr ausreichend beachtet werden.

Kein einzelnes Symptom kann eine Borreliose beweisen!

Es gibt keinen typischen Krankheitsverlauf bei dieser Erkrankung. Am häufigsten ist die so genannte Wanderröte (Erythema migrans), die einige Tage nach dem Zeckenbiss auftritt und von allgemeinen Krankheitssymptomen wie Fieber-, Muskel- und Kopfschmerzen begleitet sein kann. Eine Beteiligung des Nervensystems (Neuroborreliose) äußert sich in brennenden Nervenschmerzen (besonders nachts) und evtl. durch leichte Lähmungen der Hirnnerven, die sich z.B. durch Taubheitsgefühle, Seh- oder Hörstörungen bemerkbar machen. Eine chronische Gelenkentzündung tritt erst Monate bis Jahre nach dem Zeckenbiss auf und betrifft überwiegend die Kniegelenke. Auch die Haut kann chronisch entzündet sein, meist in den Innenseiten der Arme und Beine oder an Nase, Finger und Zehen.

Allgemeines Krankheitsgefühl, Müdigkeit, Kopfschmerzen oder Gelenkbeschwerden treten bei zahlreichen anderen Infektionen oder Erkrankungen auf und sind keineswegs beweisend!

Nur wenige Menschen erkranken nach einem Zeckenbiss!

Man geht davon aus, dass bei etwa 0.3% bis 1.4% der Menschen, die von einer Zecke gebissen wurden, mit Krankheitssymptomen zu rechnen ist. Bei 10 bis 20% aller Erwachsenen hingegen lassen sich im Blut Antikörper gegen Borrelien nachweisen, ohne dass diese jemals an einer Borreliose erkrankt waren.

Nach einem Zeckenbiss: besonnen reagieren, therapieren und diagnostizieren!

Bei über 98 % aller Menschen bleibt ein Zeckenbiss ohne Folgen. In Panik zu geraten, ist daher unbegründet. Wird die Zecke innerhalb der ersten 12 Stunden entfernt, ist das Übertragungsrisiko sehr gering. Tritt in einem zeitlichen Zusammenhang mit einem Zeckenbiss eine Wanderröte auf oder liegen Anzeichen einer Neuroborreliose vor, sollte der Arzt aufgesucht werden. Die Infektion ist in diesem Stadium mit einer 2-wöchigen Antibiotikabehandlung meist gut beherrschbar, in Einzelfällen werden Gelenkbeteiligungen auch etwas länger behandelt. Nichts dagegen bringt eine mehrwöchige Therapie aufgrund von unspezifischen Symptomen oder gar bei Patienten, bei denen eine Borreliose nur vermutet wurde. Hier überwiegen die Risiken der Behandlung (Nebenwirkungen der Medikamente oder erhöhtes Risiko für Resistenzbildungen) bei Weitem einen möglichen Nutzen.

Der Antikörpernachweis einer Borreliose ist aus dem Blut ist häufig wenig aussagekräftig. Bei beginnender Erkrankung fallen die Untersuchungen oft negativ aus, während bei nicht wenigen Gesunden (siehe oben) positive Testergebnisse vorliegen. Ein positiver Antikörpertest kann nur dann sinnvoll interpretiert werden, wenn er die klinischen Symptome berücksichtigt. Ggf. müssen bei chronischen Erkrankungen Untersuchungen Haut, Liquor oder Gelenkflüssigkeit entnommen werden, um einen Erregernachweis durchzuführen. Bei der Wanderröte werden Antikörpertestes oder serologische Verlaufskontrollen zur Antibiotikatherapie aufgrund ihrer mangelnden Aussagekraft nicht mehr empfohlen. Es ist daher sinnlos, immer wieder Blutproben entnehmen zu lassen, wenn einmal der Verdacht auf eine Borreliose geäußert oder ein vorangegangener Test positiv ausgefallen war!